Viele Jahre lang war das klassische Dorfwirtshaus der Mittelpunkt des Dorflebens – ob Hochzeit, Schützenfest oder Fasching. Zugleich war der Wirt auch ein wichtiger Abnehmer örtlicher Metzger und anderer Betriebe.

Nach dem Kirchgang zum Frühschoppen, zum Kartenspielen oder Stammtisch oder auf ein Feierabendbier oder zur Jahreshauptversammlung der Schützen: Die Realität sieht heute leider anders aus.

Die traditionelle Dorfgastronomie auf dem Land ist weiter im Niedergang: – und das nicht erst seit Corona. Jede dritte Gemeinde in Bayern hat kein Gasthaus mehr. Die Gründe sind vielfältig: Nachfolgeprobleme, Personalmangel, überbordende Bürokratie. Gefeiert wird da, wo es billig ist, im Pfarrheim, Dorfgemeinschaftshaus oder bei der freiwilligen Feuerwehr. Strukturkrise, Arbeitslosigkeit und der Rückzug ins Private fordern ihren Tribut.

Doch wenn das letzte Wirtshaus im Ort schließt, ist guter Rat oft teuer. Denn Bayerns Bürger wollen sich oftmals nicht mit dem Verlust ihres Wirtshauses abfinden. Dann wird hektisch nach einer Lösung gesucht. Immer wieder erreichen hierzu auch den VEBWK Anfragen.

Anlass für uns, euch in einer kleinen Serie, Modelle zur Wirtshausbelebung vorzustellen, die erfolgreich verwirklicht wurden. Von der Wirtshaus AG, über eine Genossenschaft bis hin zum Erwerb oder Pacht einer Gaststätte durch Gemeinden oder Vereine.

Den Auftakt macht heute die „d´Feldwies Wirtshaus AG“ in Übersee am Chiemsee.

Seit 1554 gibt es bereits das Wirtshaus d´Feldwies. 2003 war dann jedoch zunächst Schluss! Da verkaufte nämlich die Familie Enzwieser die Wirtschaft an die Gemeinde Übersee. Zu diesem Zeitpunkt war sie zu einem regelrechten Schandfleck des Ortes verkommen. Die Gemeinde an sich war jedoch nicht in der Lage, die Wirtschaft zu renovieren und wiederzueröffnen. Deshalb beschloss eine Gruppe von Überseer Bürgern sowie mehrere Ortsvereine, das Wirtshaus zu renovieren, wiederzueröffnen und selbst zu betreiben.

Viele Feldwieser Bürger und einheimische Firmen arbeiteten tatkräftig und fleißig über Monate hinweg. Sicherlich über 14.000 Arbeitsstunden wurde freiwillig erbracht und die Feldwies wurde so hergerichtet, wie sie jetzt dasteht.

Gleichzeitig wurde eine Aktiengesellschaft zum Betrieb des Wirtshauses gegründet, die das Wirtshaus von der Gemeinde gepachtet hat. Die AG hat ca. 2.100 Aktionäre, die auf der ganzen Welt verstreut sind. Aktien wurden zu einem Wert von je 100 Euro ausgegeben. Eine weitere Besonderheit der Wirtshaus AG: Der Vorstand und der dreiköpfige Aufsichtsrat üben ihre Ämter ehrenamtlich aus. An jeder Aktie hängt übrigens eine Naturaldividende in Form eines jährlichen sogenannten Aktionärsessens, das im Wirtshaus eingelöst werden kann.

Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft geht traditionsgemäß am Josefi-Tag über die Bühne. Jeder Aktionär kann dort gratis Weißwürste mit Brezen essen. Und alle Josefs und Josefinen, dürfen auf Kosten der Veranstalter auch ihren Durst stillen.

Unsers Wissens ist die „d´Feldwies Wirtshaus AG“ Deutschlands älteste Wirtshaus AG und auch die einzige AG, die dauerhaft überlebt hat. Der Wirtshausbetrieb selbst wurde in die Hände eines professionellen Pächters gelegt, an den die AG unterverpachtet hat – mittlerweile sind das die Söhne des AG-Vorstandes Wolfgang Gschwendner.

Die d´Feldwies Wirtshaus AG ist auch deshalb so erfolgreich, weil z. B. die Überseer Trachtler, der Theaterverein und die Malschule das Obergeschoss und für Veranstaltungen den Saal nutzen. Dieser wird von der Gastronomie auch rege für Veranstaltungen wie Hochzeiten genutzt.

Und weil es sich um eine gemeindeeigene Immobilie handelt, ist es auch ein besonderes Anliegen des Bürgermeisters, sie auch verstärkt selbst zu nutzen.

Die d´Feldwies ist ein schönes Beispiel für die Rettung der Wirtshauskultur und was alles möglich ist, wenn alle Beteiligten an einem gemeinsamen Strang ziehen.

Do legst di nieda!

Fotos ©: VEBWK und d´Feldwies (mit freundlicher Genehmigung)

Ihr kennt auch ein schönes Beispiel für eine Wirtshausrettung? Wir würden uns freuen, wenn ihr uns daran teilhaben lasst.
Einfach eine kurze E-mail an mitglied@vebwk.com senden.